Japan

Der japanische Fuchs und der Geist des Kapitalismus (5.11.2003)

waldchen des Fuchs

Besessenheit in Japan und in der  christlichen Welt:

Ein Mensch, der im Alltagsleben ganz gesund und  normal zu sein scheint, beginnt plötzlich zu zittern und verliert das  Bewusstsein. Auf einmal steht er auf und spricht oder schreit, als  wäre er ein Anderer.

Ein solches Phänomen ist manchmal auch in  zivilisierten Gesellschaften zu beobachten. Man nennt bzw. nannte es  Besessenheit.

So etwas gibt es nicht nur in der christlichen  Welt, sondern auch in Japan. Trotzdem wird dieses Phänomen dort nicht  als die Tat des Teufels, sondern als die Tat von "Fuchs",  "Hund" oder von bestimmten anderen Tieren interpretiert. Welches  Tier der Grund der Besessenheit ist, unterscheidet sich von Region zu  Region.

 

Was ist die Besessenheit vom  Fuchs?

Jedoch sind manche Tiere, vor allem der Fuchs,  keine normalen Tiere. Vor der japanischen Moderne dachte man, dass das Tier  zu einem bestimmten Menschen oder einer bestimmten Familie in der Gemeinde  gehören würde.

Warum sollte der Fuchs Mitglied in der Gemeinde  sein? Obwohl es sehr verschiedene und vielfältige Interpretationen  gibt, nimmt das Tier in vielen Fällen aus Neid von einem bestimmten  Gemeindemitglied Besitz. Die Gründe für den Neid sind vielfältig.

Ein winziger Fall: Ein Mitglied bereitet Sushi  oder eine ähnliche Luxusspeise und gibt einem Anderen, der sich einen  Fuchs hält, nichts davon ab. 

Oder etwas gewichtiger: Jemand gewinnt einen nicht  normalen, ausgezeichneten Ertrag in seinem Betrieb und kann neue  Geräte, Äcker usw. erwerben. Dann denkt man tendenziell, dass  diese Leute mit großen Erfolgen aktiv gemeinsame Sache mit dem Fuchs  machen. Von den Leuten, die kleine Erfolge zu verzeichnen haben und Angst vor dem Neid der Anderen haben, nimmt man an, dass sie passiv mit dem Fuchs  kooperieren. Das heißt: Man glaubt in der Gemeinde, dass die Reichen sich einen Fuchs halten würden und dass, wer ärmer ist, aber doch  zufällig etwas bekommt, unter der Besessenheit des Fuchses, welchen  die Reichen schickten, leiden würde.

 

Die Rolle des Fuchses:

Das dies nur eine Illusion unter dem Volk ist,  versteht sich von selbst. Doch diese Illusion funktionierte in der Ära vor der Moderne. Aber wie?

Wer durch den Fuchs besessen wird, ist  unglücklich. Noch unglücklicher sind die Leute, von denen die  anderen Dorfbewohner denken, sie würden einen Fuchs halten. Sie sind  unglücklich, obwohl sie oft reicher sind. Denn sie werden häufig aus dem normalen Dorfleben ausgeschlossen (z.B. bei Heiraten,  Gemeinschaftsarbeit in der Landwirtschaft) und können nur wenig  Unterstützung von den Nachbarn erwarten ("Mura-Hachibu").

Natürlich sind diese Leute in Wirklichkeit  deshalb mit dem Fuchs weder aktiv noch passiv verbündet. Also  versuchen sie meist, sich weit weg von der Bedrohung des Fuchses zu halten,  indem sie sich so verhalten, dass sie keinen Neid von Anderen auf sich  ziehen. 

Dafür dürfen sie weder ein zu  großes Vermögen, noch zu großes Glück haben, welches  die Gründe für den Neid werden könnten. Sollten sie dennoch  etwas Derartiges bekommen, bemühen sie sich, dass das Vermögen  oder das Glück niemandem auffällt. Wenn es trotzdem jemandem  auffällt, ist es möglich, dass die Besitzer den Anderen (manchmal  der Gemeinde) einen Teil ihres Vermögens spenden.

Aus der heutigen Sicht, wäre das unlogisch  und unsinnig. Es funktioniert als ein Mechanismus, mit dem die Leute  Akkumulation verhindern und die Gemeinschaft aufrechterhalten können.  Der Fuchs hält die Egalität der Dorfmitglieder. Es war die  Egalität, welche die Homogenität der Gemeinschaft und, mit der  Gemeinarbeit, die Ökonomie des Dorfs sichern konnte.

 

Der Fuchs in der Gegenwart:

Dieses Phänomen entstand vor der Moderne  Japans, aber die Zeit des Auftrittes des Fuchses sind nicht allzu lange  her, vielleicht in der Edozeit (AD1600 - 1867), in der die  Produktivität der Landwirtschaft sich entwickelte und die  Mobilität der Bevölkerung zunahm bzw. unter dem  Feudalismus. 

Damals begann die Polarisation der Gesellschaft,  und das Volk hatte Angst vor dem Zusammenbruch des bisherigen Systems. Die  Armen und die Reichen entstanden in der Dorfgemeinde. Die Leute  suchten den Grund für die Polarisation der Bevölkerungsschichten.  Da trat das Tier auf !

Die mittelalterliche Periode, in der das System  die Egalität erhielt, war schon vorüber. Gibt es diese Tiere des  Neides heute nicht mehr in der japanischen Gesellschaft ? Doch ! Jeder  Japaner hat diese Tiere noch tief in seiner Mentalität. Haben Sie  schon einmal darüber nachgedacht, warum Japaner oft sehr  zurückhaltend sind ? Warum kleiden sich die japanischen Angestellten  so monoton (meist graue oder schwarzblaue Anzüge)? Es sieht danach  aus, als ob sie bestrebt sind, sich nicht auffällig zu verhalten.

Der Fuchs lebt noch im heutigen Kapitalismus  Japans!

 

[Literatur]

  • Yoshida,  Teigo, Nihon-no-Tsukimono - Shakaijinruigaku-Teki-Kosatsu (Die  Besessenheit Japans - eine sozialanthropologische Betrachtung), Tokio  1972.

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